Montag, 6. März 2023

Ein Lohn zum Leben

Die Grünliberale Fraktion teilt das Anliegen des Initiativkomitees, dass jede Person mit einer Vollzeitstelle ihren Lebensunterhalt meistern können soll. Die vorgeschlagene Einführung eines Mindestlohnes ist hierfür jedoch der falsche Ansatz. Die Grünliberale Fraktion lehnt deshalb sowohl die Initiative als auch den Gegenvorschlag zum Mindestlohn ab.

Die Wissenschaft, zum Beispiel das KOF der ETH, sieht im Mindestlohn kein geeignetes Instrument zur Behebung der Working Poor Problematik. Nur ein kleiner Teil der Menschen, die weniger als CHF 23.- pro Stunde verdienen, leben in armen Haushalten. Armut betrifft vor allem Familien. Dabei ist der Stundenlohn nur ein kleiner Teil der Ursachen für Working poor. Viel relevanter ist das Arbeitsvolumen. Viele Frauen sind betroffen, oft allein Erziehende, weil sie genau diese Doppelbelastung haben. Deshalb kommt der externen Betreuung von Kindern eine grosse Bedeutung zu, was für die GLP immer ein wichtiges Ziel war und ist.

Die Ablehnung der Initiative begründet sich auch mit der grundsätzlichen Überlegung, dass der Staat und die Politik nicht in die Personal- und Lohnpolitik von Unternehmen eingreifen soll. Wie der Stadtrat ist auch die GLP der Meinung, dass in Branchen mit allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen bereits heute eine hohe Lohnsicherheit besteht. GAVs sind einvernehmlich zwischen den Sozialpartnern vereinbart und bilden die Bedürfnisse und Produktivität der jeweiligen Branche ab.

Mit dem staatlichen Mindestlohn wird der Lohnunterschied zwischen Stellen für Gelernte und Ungelernte zudem verwischt. Damit entfallen wichtige und in der Schweiz bewährte Anreize zur Aus- und Weiterbildung. 37% der working poor verfügen über keine abgeschlossene Ausbildung. Für die GLP muss sich Aus- und Weiterbildung lohnen – dafür haben wir uns stets eingesetzt, denn sie gehören zu den wichtigsten Massnahmen gegen Armut.

Für die Stadt Winterthur könnte zudem ein Mindestlohn zum Boomerang werden. Niederschwellige Einstiegsmöglichkeiten in die Arbeitswelt durch einen Mindestlohn würden schwinden. 53% der working poor sind AusländerInnen, Investitionen in die Integration sind entsprechend wesentlich zielführender als Mindestlöhne.

Ein kommunaler Mindestlohn ist sehr kompliziert umzusetzen. Wer teilweise in Winterthur und teilweise ausserhalb arbeitet, wird mit komplizierten Lohnabrechnungen konfrontiert. Die Gewerbler haben wichtigere Dinge zu tun, als noch mehr Administration zu bewältigen.

 

Am 20. April 2023 ist die Mitgliederversammlung der GLP Winterthur der NEIN-Parole der Fraktion ohne Gegenstimme gefolgt. Hier das Argumentarium.